Seine Geburt im März 1968 verläuft nicht ohne Komplikationen. Aufgrund eines Lungenschadens sterben ihm Gehirnzellen ab. Uli wächst als Spastiker auf. Doch er fand Halt in seiner Familie. Er lebt mit einer Schwester und fünf Brüdern im Eltinger Elternhaus. Die Widmaiers betreiben im Nebenerwerb Landwirtschaft. Da ist immer etwas zu tun. Auch für den kleinen Uli.
Bis zu seinem 19. Lebensjahr besucht er Sonderschulen. Unter den Mitschülern sind die Behinderungen kein Thema. „Von vielen wussten wir gar nicht, was sie haben“, sagt er heute. „Es hatte für uns keine Bedeutung“.
Als Teenager interessiert sich Uli für das andere Geschlecht. Wie fast jeder andere junge Mann auch. Doch seine Behinderung macht den Umgang mit den Mädchen nicht gerade einfach. Er fühlt sich nicht liebenswert und ist unglücklich. Aber er ist auch ein Kämpfer. Er will sich nicht einfach so in seine Rolle des vermeintlichen Außenseiters fügen.
Uli Widmaier trainiert im Fitnessstudio. Er liest Bücher über Psychologie und Lebenshilfe, er besucht Seminare. Gleichzeitig steigt er ins Berufsleben ein. Beim Arbeitsamt, der heutigen Agentur für Arbeit, ist Widmaier seit 1988 in verschiedenen Funktionen beschäftigt. Zudem fängt er mit dem aktiven Radfahren an. Gegen den ärztlichen Rat. „Die Mediziner haben mir das nicht zugetraut“, erinnert sich der 41-Jährige. „Doch seitdem ich aktiv Rad fahre, geht es mir seelisch besser und ich fühle mich körperlich fitter.“
Die Beschäftigung mit Psychologie, mit menschlichen Problemen, wie auch seine Arbeit, verleihen dem Eltinger Selbstvertrauen und Eigenliebe. Zwar spricht er langsam und kann nicht so schnell gehen. Doch das ficht Uli Widmaier längst nicht mehr an. Im Gegenteil: Sein eigener Kampf hat ihm Kraft verliehen. Kraft, die er nun an andere Menschen weitergeben will.
„Viele haben zu wenig Selbstvertrauen oder mögen sich nicht“, sagt Uli Widmaier. „Denen möchte ich Möglichkeiten aufzeigen, wie sie etwas für sich tun können.“ Denn das ist seine Devise: „Ich kämpfe nicht gegen etwas, sondern für etwas.“
Seit nunmehr zehn Jahren beschäftigt sich der Eltinger mit Eigenliebe und der Liebe zu anderen Menschen. Seit einem Jahr hat er eine eigene Seite im Internet, auf der er sich als „Insperater“ vorstellt. Ein Wortspiel, das sich aus den Begriffen Berater, Inspiration und in spe zusammensetzt. Denn sein Ziel und Traum ist es, irgendwann einmal von Beratungen und Seminaren leben zu können.
Momentan bietet er regelmäßig Seminare unter dem Titel „Magie der Eigenliebe“ an. Oder er vereinbart mit Interessenten, die über ihre Probleme sprechen möchten, individuelle Termine. Sein eigenes Schicksal und das jahrelange Studium von Fachbüchern, so sagt er, versetzen ihn in die Lage, seinen Gesprächspartnern Lösungswege zu weisen.
Dabei versteht er sich keineswegs als Konkurrenz niedergelassenen Psychologen: „Ich sage niemanden, wie er besser leben sollte. Ich überprüfe sein Weltbild und zeige ihm Alternativen auf. Wenn er ein tiefer gehendes Problem hat, bin ich der falsche Ansprechpartner.“ Seine eigenen Gedanken, die ihm manchmal mitten in der Nacht kommen, hält Uli Widmaier regelmäßig auf seiner Homepage fest: „Manchmal werde ich um 5 Uhr mit einer Idee wach, die ich sofort aufschreibe.“
Seine Behinderung steht seinem Anliegen nicht im Wege, im Gegenteil: „Ich will das Klischee vom armen Behinderten, der sich nicht selber helfen kann, ins Wanken bringen.“ Das scheint ihm zusehends zu gelingen: Widmaier berichtet von gut besuchten Seminaren und dankbaren Teilnehmern. Mit seinem Hauptberuf kollidiert die Beratung nicht: „Es ist als Nebentätigkeit genehmigt. Jeder Euro, den ich verdiene, melde ich dem Finanzamt.“
Zwischenzeitlich hat Uli Widmaier nicht nur sich selbst, sondern einen geliebten Menschen gefunden, den er von Anfang an gesucht hatte: Seine Lebensgefährtin Iris unterstützt ihn voller Überzeugung.
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